Im Vorfeld der Landtagswahl in Baden-Württemberg hat der Landesmusikverband Wahlprüfsteine an die im Landtag vertretenen Parteien versandt. Die Antworten finden Sie untenstehend. Für Bündnis 90 / Die Grünen antwortete der Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz MdL Für die CDU antwortete der Fraktionsvorsitzende Prof. Dr. Wolfgang Reinhart MdL Für die SPD antwortete der Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch MdL Für die AfD antwortet der Fraktionsvorsitzende Bernd Gögel MdL Für die FDP/DVP antwortete der Fraktionsvorsitzende Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL
1. Welchen Stellenwert nimmt die Amateurmusik in Ihrem kulturpolitischen Verständnis ein und in welchen parlamentarischen Initiativen fand dieser in der zu Ende gehenden Legislaturperiode seinen Ausdruck? Antwort Bündnis 90 / Die Grünen Amateurmusik nimmt aus Sicht von uns Grünen einen sehr hohen Stellenwert ein. Jeder, der schon einmal in einem Chor gesungen oder gemeinsam musiziert hat, kennt das harmonische Gefühl: Musik verbindet. Wie erfolgreich gerade Amateurmusik verbindet, zeigt sich allein an der Mitgliederzahl Ihres Verbandes: Ca. eine Million Musikbegeisterte erfüllen tagtäglich unser gesellschaftliches Miteinander mit Leben. Das ist fantastisch! Wir unterstützen diese Arbeit, indem wir die jährlichen Ausgaben für Amateurmusik gesteigert haben. Besonders erwähnenswert: Wir haben die Chorleiterpauschale erhöht und fördern den Bau zweier Blasmusikakademien mit über 20 Mio. Euro. Mit einem gezielten Corona-Hilfsprogramm für Vereine der Breitenkultur versuchen wir zumindest die schlimmsten Folgen der Pandemie abzufedern. Unser Verständnis von Kulturpolitik haben wir mit der Großen Anfrage “Zur Bedeutung von Kunst und Kultur für Baden-Württemberg” sowie dem Kulturdialog – jeweils auch mit Blick auf die Amateurmusik - überarbeitet. Antwort der CDU Baden-Württemberg ist ein Musikland mit einer reichen Musiktradition. Hierzu tragen rd. eine Million musikbegeisterte Menschen im ganzen Land bei, die sich ehrenamtlich in Musikvereinen und Chören engagieren, Freude am eigenen Musizieren haben und andere mit ihrer Musik erfreuen. Viele ehrenamtliche Musiker bringen sich in der musikalischen Ausbildung von Kindern und Jugendlichen aktiv ein. Die CDU-Fraktion ist für dieses Engagement sehr dankbar. Es verdient unsere höchste Anerkennung. Wir haben uns in dieser Legislaturperiode erfolgreich für eine Stärkung der Amateurmusik im Land eingesetzt: Mit unserem beharrlichen Einsatz bereits in den Koalitionsverhandlungen haben wir erreicht, dass die Dirigenten- und Chorleiterpauschale für die Musik- und Gesangsvereine von bisher 360 Euro auf nunmehr 500 Euro erhöht wurde. In Plochingen und Staufen werden auf unsere Initiative hin Musikakademien gebaut, mit denen die Blasmusiker und Chöre im ganzen Land unterstützt werden. Für den Neubau des Musikzentrums in Plochingen stellt das Land 11,8 Mio. Euro bereit, für den Neubau in Staufen 9 Mio. Euro. Antwort der SPD Da wir das Heranführen junger Menschen an die Musik für eine wichtige Bereicherung jeder Bildungsbiographie halten, haben wir uns in der laufenden Legislatur vor allem den Arbeitsbedingungen und der Einkommenssituation von Musikschullehrkräften und privaten Musiklehrkräften gewidmet. Hier sieht die SPD an zahlreichen Stellen Handlungsbedarf, wie in der Drucksache 16/4327 deutlich wird. Wir wollen starke Strukturen, die vielen Kindern den Zugang zu musischen Bildungsangeboten eröffnen. In der Corona-Pandemie mussten Chöre und Orchester viel Verständnis aufbringen. Unterschiedliche Regelungen in Schulen, Musikschulen und Orchestern für das gleiche Musizieren haben für Unmut gesorgt. Wir haben im Rahmen einer Aktuellen Debatte im Juli das verantwortungsvolle Handeln der Musikverbände gewürdigt und Gleichbehandlung eingefordert, denn die ehrenamtlichen Strukturen in der Amateurmusik dürfen keinen dauerhaften Schaden nehmen. Die Politik muss den Verbänden Unterstützung zukommen lassen und ihre Mehraufwendungen ausgleichen. Antwort der AfD Wir möchten den Nachmittagsbereich für Schüler für den Besuch von Musikunterricht freihalten. Auch private Zeit ist Bildungszeit. Die von der Landesregierung politisch gewollte Ganztagsschule behindert das gewachsene gesellschaftliche Engagement im Musikverein. Ein intensives Üben mit dem Instrument wird erschwert. Die Einbindung der Vereine in den Ganztag ist mit einem lebendigen Vereinsleben nicht zu vergleichen. Unsere Große Anfrage „Ganztagsschulen Baden-Württemberg und ihre Auswirkungen auf Vereine, Musikschulen und private Musikschullehrer“ Drs. 16/1851 hat dies bestätigt. Unser Gesetzentwurf zum neunjährigen Gymnasium Drs. 16/5979 verfolgt ebenfalls dieses Ziel. Antwort der FDP Die Chöre und Orchester sind ein unverzichtbarer Bestandteil des Musiklandes Baden-Württemberg. Das ehrenamtliche Engagement kommt der kulturellen Vielfalt im Land unmittelbar zugute, gerade auch in den ländlichen Gebieten. Deshalb haben wir uns in der Corona-Krise stark gemacht für pragmatische Lösungen im Probenbetrieb und Unterricht, für schnelle, unbürokratische Hilfen und für einen Sonderfonds Kultur. Im Landeshaushalt haben wir die Verbesserungen zur Förderung der Amateurmusik mitgetragen, etwa die Anhebung der Chorleiterpauschale oder die zusätzlichen Mittel für die Neubauvorhaben in Plochingen und Staufen sowie des Kompetenzzentrums in Trossingen. Schließlich haben wir uns mit Anträgen den Themen zugewandt, die vielen Aktiven in den Vereinen das Leben schwermachen, wie die Belastung mit Bürokratie oder die Gebührenabwicklung der GEMA. 2. Musik und Sport sind in ihrer gesellschaftlichen Relevanz vergleichbar. Die finanzielle Förderung durch das Land spiegelt dies noch nicht vollständig wider. Sehen Sie einen weiteren Veränderungsbedarf?
Antwort Bündnis 90 / Die Grünen Wir Grüne teilen die Einschätzung zur gesellschaftlichen Relevanz. Im Profi-Bereich sind Sport und Musik zwar strukturell nur bedingt vergleichbar. Anders gestaltet es sich aber bei der Breitenkultur und beim Breitensport. Hier setzen wir uns für eine Gleichbehandlung - bei gleichzeitiger Berücksichtigung der unterschiedlichen Anforderungen - ein. Ausdruck findet das zum Beispiel darin, dass wir die Dirigenten- und Chorleitungspauschale an die Trainerpauschale im Sport angeglichen haben. Antwort der CDU Mit der Anhebung der Dirigenten- und Chorleiterpauschale auf 500 Euro haben wir in dieser Legislaturperiode bereits viel erreicht. Wir wollen die Musik- und Gesangsvereine darüber hinaus weiter stärken. Denn es besteht im Verhältnis zum Sport weiterhin die Ungleichbehandlung, dass Sportverbände für jeden Übungsleiter in ihren Reihen eine Pauschale beziehen können, die Amateurmusik aber nur einmal pro Verein eine Dirigenten- und Chorleiterpauschale erhält. Eine zentrale kulturpolitische Forderung der CDU-Fraktion für die Legislaturperiode ab 2021 ist es daher, die Dirigenten- und Chorleiterpauschale künftig analog zum Sport nicht mehr entsprechend der Zahl der Vereine, sondern entsprechend der Zahl der Ensembles auszuzahlen. Antwort der SPD Musik und Sport sind wichtige gesellschaftliche Bereiche, die aber von unterschiedlichen Strukturen geprägt sind. In der Amateurmusik unterstützt die SPD ebenso den Aufbau von Talenten und die Möglichkeiten, sich als junge Musiker zu professionalisieren, deshalb sind wir auch für die Musikakademien in Plochingen und Staufen. Aber insbesondere in der musischen Bildung sehen wir auch Veränderungsbedarf. Ein Instrument oder Gesang zu unterrichten, einen Chor oder ein Orchester zu leiten, muss sich lohnen – prekäre Beschäftigungsverhältnisse dürfen kein Dauerzustand sein. Viel Potential sehen wir zudem in der Einbindung musischer Bildungsangebote in Ganztagesschulen. Hier gilt es, Kooperationen zwischen den Schulen, den Musikvereinen und den Musikschulen besser anzubahnen und zu vereinfachen. Antwort der AfD Die AfD möchte die finanzielle Förderung der bildenden Kunst und der Musik ausbauen. Wir haben für 2020 und 2021 jeweils 1 Mio € im Jahr zusätzlich für nichtstaatliche Orchester gefordert. Bereits für 2017 und 2018 haben wir jeweils 2 Mio € zusätzlich für das Programm „Singen, Bewegen, Sprechen“ zur Förderung des Spracherwerbs und 2 Mio € zusätzlich zur Förderung des Instrumentalspiels gefordert. Für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 hat die AfD eine Erhöhung des Landeszuschusses für Personalkosten der Musikschulen auf 15 Prozent gefordert und hierfür jährlich 10 Mio € zusätzlich eingestellt. Antwort der FDP Die staatliche Förderung der Breitenkultur trägt zum Erhalt des unverzichtbaren, ehrenamtlichen Engagements in Orchestern und Chören bei. Die bisherige Förderung der im Landesmusikverband organisierten Verbände und deren Mitgliedsvereinen erfolgt auf der Grundlage der bewährten Förderrichtlinien. Für uns gilt es, an den vier Säulen festzuhalten, nämlich der Verwaltungskostenpauschale und Zuschüssen zu Bildungsmaßnahmen für die Verbände, der Chorleiter-/Dirigentenpauschale und dem GEMA-Zuschuss für die Vereine. Die Erfahrungen der Corona-Krise zeigen uns aber, dass wir mit weiteren Maßnahmen dazu beitragen müssen, das vielgestaltige kulturelle Leben zu unterstützen. 3. Wie sehen Ihre Wünsche an die Amateurmusik als gesellschaftlich und kulturell flächendeckendes Netzwerk in Bezug auf die aktuell besonders relevanten Themen Bildung, Integration und Partizipation aus?
Antwort Bündnis 90 / Die Grünen Wir Grüne wünschen uns, dass die Amateurmusik weiterhin verantwortungsvoll und offen neue gesellschaftliche Aufgaben und Entwicklungen wie zum Beispiel Digitalisierung oder interkulturelle Bildung anpackt. Als eine der größten Aufgaben sehen wir die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes. Amateurmusik bringt für diese Aufgabe wichtige Eigenschaften mit: Sie erreicht weite Bevölkerungsschichten, wirkt integrativ und misst dem generationenübergreifenden Austausch, dem Miteinander von Jugendlichen und Erwachsenen eine große Bedeutung zu. Damit erfüllt Amateurmusik wichtige Funktionen bei der musikalischen Bildung genauso wie für ein lebendiges gesellschaftliches Miteinander vor Ort. Antwort der CDU Die CDU wünscht sich, dass die Amateurmusik sich weiterhin so aktiv auf niederschwellige Art wichtiger gesellschaftspolitischer Themen wie dem interkulturellen Dialog, der Inklusion von Menschen mit Behinderung und der kulturellen Bildung in allen Altersklassen annimmt. Die breite Verankerung der Amateurmusik in allen Teilen unserer Gesellschaft ist von unschätzbarem Wert für unser Gemeinwesen. Dies gilt es zu erhalten und weiter zu fördern. Antwort der SPD Die Corona-bedingte Pause der Amateurmusik ist schmerzlich, weil gemeinsames Musizieren wichtig für die Integration und Partizipation ist. Musik ist tragende Säule für Volksfeste, kirchliche Feste, offizielle und private Feiern - sie verbindet und schafft gesellschaftliche Teilhabe! Ich hoffe, dass Chöre und Orchester bald wieder gemeinsam singen/musizieren, um zur alten Stärke zurück zu finden. Antwort der AfD Die Begriffe „Integration“ und „Partizipation“ sind ideologisch aufgeladene Begriffe, die darauf hinweisen, dass hier Kunst und Kultur für gesellschaftliche Zwecke instrumentalisiert werden sollen. Dieses Anliegen hat nichts mit den Bedürfnissen zu tun, die Kunst und Kultur brauchen, um sich positiv entwickeln zu können. Gerade Laienchöre und Musikvereine haben es immer schon ermöglicht, dass alle Menschen unabhängig von Einkommen und sozialem Status gemeinsam musikalisch tätig werden können. Die Folge einer politischen Instrumentalisierung von Kunst und Kultur für gesellschaftliche Zwecke ist, dass die Landesregierung nur dann Geld gibt, wenn die von ihr vorgegebenen gesellschaftlichen Zwecke verfolgt werden. Auch wenn die Sprache der Musik allgemein verständlich ist, ist gerade die Art der Musik sehr abhängig von dem kulturellen Hintergrund der ausübenden Musiker. Antwort der FDP Die kulturelle Bildung von Kindesbeinen an und die integrative Wirkung des Engagements in Vereinen sind der Kitt, der die Gesellschaft im Innersten zusammenhält. Aufgrund der infektionsschützenden Maßnahmen haben es die kulturschaffenden Vereine leider besonders schwer, ihre Mitglieder und Aktiven zusammenzubringen. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam der bedrückenden Entwicklung entgegenwirken, dass Einzelne ihr ehrenamtliches Engagement als verzichtbar einstufen, solange es gilt, die sozialen Kontakte zu minimieren. Denn jeder einzelne Beitrag in Vereinen überall im Land ist unersetzbar, wenn es um den Erhalt unserer herausragenden kulturellen Vielfalt geht.
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